Abstract: Dass Gesundheit ein ungleich verteiltes Gut ist, ist ein anerkannter und empirisch gut dokumentierter Befund. Gesundheitliche Risiken stehen in deutlichem Zusammenhang mit sozioökonomischen Merkmalen; sie steigen, je niedriger das Einkommen, je geringer die Qualifikation und je schlechter die Arbeitsmarkteinbindung einer Person ausfällt (Lampert / Mielck 2008). Arbeitsmarktintegration gilt am ehesten mit dem sogenannten Normalarbeitsverhältnis (Mückenberger 1985) als verwirklicht. Damit assoziierte Merkmale wie Vollzeitbeschäftigung und existenzsichernde Entlohnung, Kontinuität, Entfristung und ausreichender sozialversicherungsrechtlicher Schutz werden aber längst nicht mehr allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zuteil. Im Jahr 2014 sind in Deutschland 13,6 % der abhängig Beschäftigten Teilzeitarbeitende mit bis zu 20 Wochenstunden, 6,5 % geringfügig beschäftigt, 1,9 % zählen zu den Leiharbeitern und 6,9 % haben befristete Verträge (Statistisches Bundesamt 2015). In Europa schwankt das Ausmaß atypisch Beschäftigter als Anteil an allen Personen im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2014 zwischen 49,6 % in den Niederlanden und 2,5 % in Bulgarien bei den Teilzeitbeschäftigten und bei den befristet Beschäftigten zwischen 28,3 % in Polen und 1,5 % in Rumänien (Eurostat 2015). Arbeitnehmer berichten einen signifikant besseren Gesundheitszustand als erwerbslose Personen (Arber et al. 2014). Erwerbsarbeit stiftet Lebenssinn und Anerkennung und fördert das Selbstbewusstsein sowie die gesellschaftliche Integration. Diese mit Erwerbsarbeit einhergehenden gesundheitlichen Vorteile werden aber nicht allen Beschäftigungsformen gleichermaßen zuteil. Es sind vor allem die an atypische Beschäftigung vermehrt gekoppelte niedrige Entlohnung und fehlende soziale Sicherheit, Instabilität und Verunsicherung, aus der die hohe Wahrscheinlichkeit psychosozialer und gesundheitlicher Einschränkungen resultiert (Dörre 2003). Zu gesundheitlichen Belastungen im Zusammenhang mit flexibilisierter Beschäftigung liegt bislang nur wenig empirische Evidenz vor. Es fehlen vor allem Ländervergleiche, die die unterschiedliche soziale Absicherung atypisch Beschäftigter sowie das Ausmaß an Flexibilisierung berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund stellen wir die Frage, ob und auf welche Weise in Europa atypische Beschäftigungsformen und Gesundheit miteinander in Verbindung stehen. Ihre Auswirkungen auf die Gesundheit, so unsere Annahme, werden maßgeblich danach variieren, wie die einzelnen Länder Flexibilisierungsmaßnahmen und soziale Sicherung austarieren. Deshalb schenken wir den institutionellen Rahmenbedingungen besondere Aufmerksamkeit und fragen nach der vermittelnden Rolle arbeitsmarktpolitischer und sozialstaatlicher Maßnahmen. In Abschnitt 2 stellen wir den Forschungsstand zum Zusammenhang von atypischer Beschäftigung und Gesundheit vor. Daran anschließend erläutert der dritte Abschnitt die hier verwendeten Theoriebausteine, zunächst mit einem AbAtypische Beschäftigung und Gesundheit in Europa