355
66.
A.
Hantzsch:
Ueber
eine
merkwurdige intrernoleculare
Urnlagerung.
(Eingegangen
am
S.
Februar.)
Wie ich wiederhoit unter Widerlegung entgegengesetzter An-
sicbten hahe constatiren kcmen, entsteht bei directer Bromirung
des Aceteseigathers ausschliesslich y-Bromaceteseigather,
CH2
Br
.
CO
.
CHa
.
COOCt
H5.
dagegen bei Bromirung des Rupferacetessiglthers
ausschliesslich ti-Bromacetessigather,
CH3
.
CO
.
CH
Br
.
C
0
0
CZ
Hs.
Die letzte ausfiihrliche Mittheilung hieriiher von
G.
E
p p
r
e c
h
t
und mir findet sich in den BAnnalent
I)
veriiffentlicht. Bei Aus-
fiihrung seiner
Experinieritalutitersuchung
hatte bereits Epprech
t
ein-
ma1
beobachtet, dass ein Rest des roil ihm aus Rupferacetessigather
bereiteten Bromesters, der sich bei vorherigen Versuchen in normaler
Weise als a-Derivat erwiesen hatte, nach moilatelangem Stehen mit
Thioharnstoff niclt
zii
Metbylamidothiazolcarbonsaureather
vom
Schmp.
1740,
sondern
zu
Amidomethylthiaaylessigiither
vom
Schmp.
94
"
condensirt wurde.
Es
hatte hieriiach
also
unzweifelhaft 7-Bromacetessig-
ather vorgelegen, rind man hiitte darnach bereits vermuthen diirten, dass
der cr-Bromester ron selbst
in
den 7-Bromester umgewandelt worden
wiire.
Allein dies schien
uns
so
unwahrscheinlich
zu
sein, dass
wir
eher an eine Verwechslung glauben wollten, obgleich eine solche
geradezu ausgeschlossen war. Die Beobachtung rnusste erst noch-
mals
gemacht werden, nnd dies iet inzwiechen gescbehrn. Eine Probe
des mir von
Hrn.
Epprech
t
iiberlassenen, unzweifelhatien Bromesters,
welche von Anfang August rorigen Jabres
bis
Mitte Januar diesee
Jahres bei gewiihnlicher Temperatur gestanden und sich iiueserlich
nicht verandert Iiatte, gab hei der Condeneatiou mit Thioharnstoff
danials nahezu quantitativ
,Methylamidothiaxolcarbonsaiireather,
jetzt
aber nahezii quantitatir Arnidothiazylessigiit
her,
ohne dass in beiden
Fallen
irgendwie nxhweisbare Mengeri
(Icr
isomcren Thiazolderivate
vorhanden geweseit waren.
A
uch drirch die Kupfersalee liessen sich
beide Ester unterscheideii. 1)ie Kiipfer\-rr!)indung
des
cc-Bromesters
ist
dunkelgriin, in
Alkohol
sehr Ieicht liislich, und zersetzt sich
bei
140".
aber aiich
sclion
langsarn bei gewiihnlicher Ternperatur an der
Lull
oder
in
alkoholischer
Liisung
;
die Rupferrerbindung des
y-Hromesters bildet grasgriine Nadeln, die bei gewohnlicher
Tem-
peratur bestandig sind ond sich erhitzt erst Lei
INo
zersetzen. Dem
entsprechend erzeugte der direct
BUS
Kupferacetessigather hereitete
Rromester zuerst ein Kupfersalz
corn
Zersetzungspunkt
1400,
nach
halbjlhripem Stehen aber ein solches voni %ei.setzung*pankte
164".
I)
Ann.
d.
Chem.
'.'in.
61.
356
Danach ist es unzweifelhaft, dass
sich
a-Bromacetessigather
schon hei gewohnlicher Temperatur in 7-Bromacetessig-
ather umwandelt; das Brom wandert
von
der Methylengruppe in
die Methylgruppe:
CH3.
CO.
CHBr. COOR
-+
CHzBr.
CO. CH2. COOR.
Ob man sich diese hochst merkwurdige intramoleculare Unila-
gerung unter intermediarer Abspaltung von Brornwasserstoff, Bildung
des ringfiirmigen Trimethylenderivates CHa
.
CO
.
CH
.
COOR und
Wiederanlagerung von Brnmwasserstoff im urngekehrten Sinne voll-
zogen
zu
denken babe, bleibt vorlaufig dahingestellt. Ebenso vermag
man bei der ijligen Beschaffenheit und leichten Zersetzlichkeit dieser
zwar aanalysenreina erhaltenen, aber doch des Eriteriums absoluter
Reinheit ermangelnder Ester nicht zu sagen,
ob
diese Umwandlung
nicht durch Spuren einer contactartig wirkenden Verunreinigung ver-
anlasst werde.
Keinesfalls ist aber, wie man denken kiinnte, der Einflriss der
Temperatur in erster Linie fir die Umwandlung bestimmend. Der
Bromester, an welchem diese letztere zuerst beobachtet worden war, war
4-5
Ma1 im Vacuum destillirt worden, und lieferte trotzdem, direct
condensirt, stets nur das hochschmelzende Thiazolderivat,
so
dass er
bei der Destillation noch nicht in den y-Bromester iibergegungen
war. Dieser letztere hatte sich eben erst nach monatelangem Stehen
bei gewiihnlicher Temperatur gebildet. Die Controlbeobachtung wurde
umgekehrt an einern gar nicht destillirten a-Bromester gemacht.
Es
mag nur noch daraiif hingewiesen werden, dass eine dieser
Beobachtung einigerrnaassen vergleichbare Thatsache bereits bekannt
ist:
Nach
L.
Wolff
*)
erhiilt man
aus
Dibromlavulinsaure CHy
.
CO
.
CBr.2.
CH2.
COOH durch siedendes Wasser Glyoxyipropionsaure
CHO
.
CO
.
CHa
.
CHz
.
COOH,
welch' merkwiirdige Reaction eben-
ebenfalls ahnlich wie der hier beobachtete direkte Uebergang negativer
Gruppen von der Mitte der Kohlenetoffkette an das Ende derselben
erkllrt worden ist.
Wiirzburg, im Februar
1894.
')
Ann.
d.
Chem.
260,
S5,