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German Journal of Exercise and Sport Research
Zur Bedeutung sportbezogener Einstellungen und Deutungsmuster für die
Sportaktivität junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
The relevance of sport-related attitudes and interpretations for the sports activity of
adolescents and young adults with and without migrant background
--Manuscript Draft--
Manuscript Number: SPWI-D-18-00012R4
Full Title: Zur Bedeutung sportbezogener Einstellungen und Deutungsmuster für die
Sportaktivität junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
The relevance of sport-related attitudes and interpretations for the sports activity of
adolescents and young adults with and without migrant background
Article Type: Hauptbeitrag / Main Article
Corresponding Author: Claudia Klostermann
Universitat Bern
Bern, SWITZERLAND
Corresponding Author Secondary
Information:
Corresponding Author's Institution: Universitat Bern
Corresponding Author's Secondary
Institution:
First Author: Claudia Klostermann
First Author Secondary Information:
Order of Authors: Claudia Klostermann
Siegfried Nagel
Christelle Hayoz
Torsten Schlesinger
Order of Authors Secondary Information:
Funding Information: Bundesamt für Sport (CH)
Dr., Mrs., Claudia Klostermann
Abstract: Erklärungen zu Unterschieden in der Sportpartizipation verweisen vielfach auf den
Faktor Migrationshintergrund und daraus resultierende Benachteiligungen, ohne die
dahinterliegenden Mechanismen genauer zu beleuchten. Die folgende Studie verfolgt
das Ziel, eine differenziertere Prüfung vorzunehmen, inwiefern Personen mit und ohne
Migrationshintergrund in der Schweiz unterschiedliche sportbezogene Einstellungen
und Deutungsmuster aufweisen, welche wiederum für die Partizipation am Sport von
Bedeutung sind. Datengrundlage der empirischen Analyse bildet eine
Querschnittserhebung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ausgewählten
deutsch- und französischsprachigen Kantonen der Schweiz (n = 4.039). Fehlende
Werte wurden mittels multivariater Imputation ersetzt. Deskriptive Befunde bestätigen
zunächst migrationsspezifische Unterschiede in der Sportpartizipation. Multivariate
logistische Regressionsanalysen zwischen Personen mit und Migrationshintergrund
zeigen, dass der „reine" Effekt des Migrationsstatutes etwas gedämpft wird, wenn
Variablen zu sportbezogenen Einstellungen und Deutungsmustern einbezogen
werden. Betrachtet man die Einflüsse innerhalb der beiden Gruppen, so zeigt sich,
dass die meisten signifikanten Prädiktoren in die gleichen Richtungen weisen und
damit die theoretischen Mechanismen in den gruppenspezifischen Kontexten ähnlich
wirken.
Response to Reviewers: Vielen Dank für die konstruktiven Rückmeldungen.
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Zur Bedeutung sportbezogener Einstellungen und Deutungsmuster für die
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Sportaktivität junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
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The relevance of sport-related attitudes and interpretations for the sports activity of ado-
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lescents and young adults with and without migrant background
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Claudia Klostermann
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, Siegfried Nagel
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, Christelle Hayoz
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& Torsten Schlesinger
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Universität Bern, Institut für Sportwissenschaft, Bremgartenstr. 145, CH-3012 Bern
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PH Bern, Fachdidaktikzentrum Sport, Bremgartenstr. 145, CH-3012 Bern
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TU Chemnitz, Institut für Angewandte Bewegungswissenschaften, Thüringer Weg 11, D-
11
09126 Chemnitz
12
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Korrespondierende Autorin:
14
Dr. Claudia Klostermann
15
claudia.klostermann@ispw.unibe.ch
16
Tel.: +41 31 631 51 13
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Title Page

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Zur Bedeutung sportbezogener Einstellungen und Deutungsmuster für die
1
Sportaktivität junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
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The relevance of sport-related attitudes and interpretations for the sports activity of ado-
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lescents and young adults with and without migrant background
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Einleitung
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In aktuellen (sport-)politischen Diskursen wird regelmäßig darauf verwiesen, dass die
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Überwindung kultureller, ethnischer oder religiöser Differenzen im Sport besser realisierbar
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sei als in anderen gesellschaftlichen Bereichen und der Sport somit ein ideales Medium zur
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Teilhabe und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund
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darstelle. Gleichwohl
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lassen sich nach wie vor deutliche Unterschiede in der Teilnahme am Sport beobachten. So
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zeigen verschiedene Studien zum Sportverhalten, dass Menschen mit Migrationshintergrund
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im Schweizer Sport proportional untervertreten sind (Fischer, Wild-Eck, Lamprecht, Stamm,
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Schötzau & Morais, 2010; Gerber & Gerlach, 2017; Gerber, Gerlach & Pühse, 2011;
15
Lamprecht, Fischer & Stamm, 2014). In anderen Ländern - zum Beispiel in Australien
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(Maxwell, Foley, Taylor & Burton, 2014), Belgien (Moens & Scheerder, 2004), Deutschland
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(Burrmann, Mutz & Zender, 2015) und in den Niederlanden (Elling & Claringbould, 2005) -
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zeigt sich ein ähnliches Bild. Damit stellt sich die Frage, welche Ursachen und Mechanismen
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hinter dieser Unterrepräsentanz stecken.
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Ein Blick auf vorliegende Studien und Erklärungsansätze zum Sportverhalten von Menschen
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mit Migrationshintergrund verdeutlicht, dass sie sich mitunter in ihren Grundannahmen
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erheblich voneinander unterscheiden (dazu bereits Thiel, Seiberth & Mayer, 2013; Seiberth,
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Weigelt-Schlesinger & Schlesinger, 2013): (1) Studien aus der sozialen
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Ungleichheitsforschung gehen von ungleichen Voraussetzungen für Menschen mit
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Im vorliegenden Beitrag wird der Bezeichnung „Menschen mit Migrationshintergrund“ die Definition
des Bundesamtes für Statistik der Schweiz zugrunde gelegt, nach welcher die Bezeichnung sowohl im
Zuwanderungsland geborene Personen umfasst, deren Eltern im Ausland geboren wurden, als auch
Personen, die selbst zugewandert sind – mit Ausnahme von im Ausland gebürtigen Schweizerinnen
und Schweizer, deren Eltern im Inland geboren wurden (Bundesamt für Statistik, 2018).
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Migrationshintergrund beim Zugang zu gesellschaftlich wertvollen Ressourcen aus (Barker et
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al., 2011; Breuer & Wicker, 2008; Goldsmith, 2003; Kleindienst-Cachay, 2007; Mutz &
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Burrmann, 2015). Wenngleich sehr unterschiedliche Merkmale in den jeweiligen Studien
28
Berücksichtigung finden (z.B. Religionszugehörigkeit, ethnische Herkunft, Bildungsniveau),
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besteht Konsens dahingehend, dass die Unterrepräsentanz von Menschen mit
30
Migrationshintergrund im Sinne der Intersektionalität aus dem Zusammenspiel verschiedener
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Faktoren resultiert (Kleindienst-Cachay, 2007). (2) Zudem wird die geringere Partizipation
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am Sport vielfach auf kulturelle, ethnische oder religiöse Differenzen zwischen Menschen mit
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und ohne Migrationshintergrund zurückgeführt. Dabei werden vor allem den differenten
34
familiären Rollenerwartungen, den Unvereinbarkeiten “einheimischer” und “fremder”
35
Körper- und Bewegungspraktiken sowie den fehlenden Erfahrungen mit den Körper-,
36
Bewegungs- und Sportpraktiken des Zuwanderungslands exklusive Wirkungen attestiert
37
(Alkemeyer & Bröskamp, 1996; Boos-Nünning & Karakaşoğlu-Aydin, 2005; Bröskamp,
38
1994; Burrmann, Mutz & Zender, 2015; Gebauer, 1986; Kleindienst-Cachay, 2007; Mutz &
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Burrmann, 2015). (3) Ein weiterer Erklärungsansatz diskutiert den Zugang zum Sport als
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Folge individueller Präferenzsetzungen, die in Zusammenhang mit lebensstil-, milieu- und
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kulturspezifischen
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Mustern stehen (Elling & Claringbould, 2005; Thiel & Cachay, 2003).
42
Demnach ist die Nicht-Teilnahme am Sport weniger als Hinweis auf die soziale Integration
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einer Person oder einer Gruppe, sondern vielmehr als Ausdruck von Geschmack und
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Prioritätensetzung zu interpretieren (Seiberth & Thiel, 2007). (4) Darüber hinaus werden auch
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strukturelle Barrieren in den Sportorganisationen diskutiert (Kleindienst-Cachay et al., 2012;
46
Thiel & Seiberth, 2007; Seiberth et al., 2013), welche die Unterrepräsentanz von Menschen
47
mit Migrationshintergrund am Sport begründen.
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Nach Esser (1999) sind damit insbesondere sozial verbreitete und geteilte Gewohnheiten, Lebensweisen und
Wert- und Wissensbestände gemeint.
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in der gegenwärtigen Diskussion zur Erklärung der
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geringeren Sportbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund hauptsächlich auf
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kulturelle, individuelle, sozialstrukturelle und organisationale Aspekte zurückgegriffen wird.
51
Bislang wurden hierbei insbesondere für den allgemeinen Migrationsprozess bedeutende
52
Dimensionen (z.B. Geschlechterrollen, Religiosität) berücksichtigt, die einen für das
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Sportverhalten relativ großen Handlungs- und Gestaltungsspielraum aufspannen. Durch
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individuelle Auslegung dieses Rahmens sowie durch die kulturelle Selbstverortung können
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daraus ganz unterschiedliche (Sport-)Verhaltensweisen resultieren. So konnten beispielsweise
56
Mutz und Burrmann (2015, S. 141) nur schwache Zusammenhänge zwischen
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geschlechtertypischen Rollenerwartungen und dem Organisationsgrad in Sportvereinen
58
unabhängig vom Geschlecht und dem Migrationsstatus aufzeigen. Bei differenzierter
59
Betrachtung dürften die Unterschiede in Bezug auf das Sportverhalten innerhalb der Gruppe
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von Menschen mit Migrationshintergrund mitunter größer sein als die Unterschiede zwischen
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Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen ohne Migrationshintergrund.
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Entsprechend sind weitere Merkmale zu kontrollieren, um die inhaltliche Relevanz des
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Migrationsstatus als (isolierte) Variable in Zusammenhang mit der Sportpartizipation genauer
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abzubilden.
65
Im vorliegenden Beitrag werden diese Fragen aufgegriffen, indem die
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Sportpartizipation im Sinne komplexer Sozialstrukturkonzepte auf das Zusammenspiel
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zwischen sozialstrukturellen Merkmalen und individuellen Präferenzen zurückgeführt wird
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(dazu grundlegend bereits Thiel & Cachay, 2003) und für das Sportverhalten relevante
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Haltungen, Einstellungen und Deutungsmuster abgeleitet werden. Anhand einer Online-
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Befragung von jungen Erwachsenen in der Schweiz wird in einem weiteren Schritt empirisch
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geprüft, inwiefern Personen mit und ohne Migrationshintergrund unterschiedliche sport- und
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bewegungsbezogene Einstellungen und Deutungsmuster entwickeln und inwiefern diese für
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die Partizipation am Sport von Bedeutung sind. Ziel des Beitrages ist es den eigenständigen
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